Ungleichbehandlung des Amateurfußballs: BFV erwägt den Klageweg – Erste Reaktionen aus den Vereinen
Der Wettkampfspielbetrieb ist weiterhin untersagt - jetzt erwägt der Bayerische Fußball-Verband, den Klageweg zu beschreiten. So reagieren die Vereine.
- ANZEIGE - – Die Politik hat am Dienstag nichts gesagt, dafür geht nun der Bayerische Fußball-Verband (BFV) in die Offensive: Alle Mitgliedsvereine sind dazu aufgerufen, in einer bis Montag laufenden Online-Umfrage über das weitere Vorgehen mitzubestimmen ( . Das bayerische Kabinett hatte die aktuell geltenden Infektionsschutzmaßnahmen bis zum 18. September verlängert – tags darauf sollte der ohnehin schon einmal verschobene Re-Start mit einer begrenzten Zahl an Zuschauern über die Bühne gehen. Der BFV will nun unter Umständen rechtlich gegen das Verbot des Punktspielbetriebs vorgehen – sofern die Vereine das auch wünschen. Der Tenor unter den befragten Landes-, Bezirks- und Kreisliga-Klubs ist keineswegs einhellig.
Der Landesligist
Küchle: „Die jetzige Entscheidung ist sehr wichtig" spricht sich ganz klar für den rechtlichen Weg aus und befürwortet eine Klage, um die Wiederaufnahme des Spielbetriebs zu erwirken. „In den anderen Bundesländern geht das doch auch", betont Sportlicher Leiter Anselm Küchle. „Ich hätte mir da einen Erfahrungsaustausch gewünscht." Der VfB-Funktionär denkt dabei an den problemlosen Spielbetrieb in Baden-Württemberg mit bis zu 500 erlaubten Zuschauern – und er sagt deutlich, „dass wir so schnell wie möglich wieder spielen wollen, aber leider ist der Amateurfußball zu einem Politikum geworden". In dieser schwierigen Zeit hofft er, dass die bayerischen Vereine solidarisch zusammenstehen – und erwartet, dass die überwiegende Mehrheit der derzeit trainierenden Mannschaften nun endlich Punktspiele absolvieren möchte.Die Hallbergmooser trainieren mit den Herrenteams erst mal weiter, „auch wenn es gerade so richtig zäh wird", sagt Küchle. Bis Mitte September habe man noch Testspiele vereinbart, dann denkt er im Falle einer weiteren Verschiebung des Punktspielbetriebs über eine Woche Trainingspause nach. „Die jetzige Entscheidung ist sehr wichtig", sagt Küchle in der Hoffnung, dass die Staatsregierung die Forderungen des BFV nicht mehr ignoriert oder dadurch der gerichtliche Weg den Ball ins Rollen bringt.
Anselm Küchle (Hallbergmoos) hofft, dass der gerichtliche Weg den Ball ins Rollen bringt.© FuPaHin- und hergerissen ist Trainer und Teammanager Alex Plabst vom Landesligisten
Plabst plädiert für einen Testlauf auf Verbands- und Bezirksebene . Prinzipiell habe er Verständnis für die Beschlüsse des Verbands, „hier geht es ja auch um gewisse Verantwortlichkeiten, die zu tragen sind". Was jedoch fehle, sei die Vergleichbarkeit: Denn auf der einen Seite seien etwa bei Hochzeitsfeiern bis zu 200 Personen im Außenbereich erlaubt – „Zuschauer bei einem Fußballspiel werden aber nicht zugelassen?", meint Plabst. Eine Gefahr der Ansteckung sehen die Freisinger Verantwortlichen nicht – wenn man beispielsweise in Betracht ziehe, dass zu den meisten Amateurspielen ohnehin nicht mehr als 200 Leute im Schnitt kommen würden. „Und für die wenigen Vereine, wo es mehr sind, könnte man eigene Regelungen finden", sagt Plabst.Die SEF hat auch einen Vorschlag parat, wie Punktspiele möglich sein könnten: einen ersten Test auf Verbands- und Bezirksebene. „Meinetwegen könnte man von der Bayern- bis zur Bezirksliga starten, Erfahrungen sammeln und erst dann mit den anderen Klassen einsteigen", erklärt Teamchef Plabst. Jedoch: Beim SEF respektiere man die Entscheidungen des Verbands – „das wurde so beschlossen, und wir halten uns daran".
Rudolf Hauke (Eching) hält nichts von einer Klage des Bayerischen Fußball-Verbands.© Verein„Unglücklich" findet Rudolf Hauke, Vorsitzender des Bezirksligisten
„Wenn man so weitermacht, wird man unglaubwürdig" , die Entscheidung der Staatsregierung. „Wir haben bewiesen, dass wir das Training und die Freundschaftsspiele unter Einhaltung des Hygiene-Konzepts durchführen können. Das würden wir auch in Punktspielen hinbekommen – so viele Zuschauer haben wir in Eching nicht", sagt Hauke. Er findet es gut, dass sich der BFV für die baldige Wiederaufnahme des Wettkampfbetriebs einsetzt. Von einer Klage hält der TSV-Präsident jedoch nichts: „Da bin ich dagegen. Ich glaube nicht, dass sich der Fußball damit Freunde machen würde", betont Hauke. Auch ohne rechtliche Schritte sollte seiner Meinung nach ein Punktspielstart in naher Zukunft möglich sein, der TSV Eching sei dafür bereit. „Wir könnten ein Hygiene-Konzept gewährleisten. Wenn Ligaspiele mit Zuschauern genehmigt werden, würden wir das hinkriegen. Und wenn es ohne Zuschauer weitergehenmüsste, wäre das erst einmal auch kein Problem", sagt Hauke.Gerhard Güntner, der Technische Leiter der
, kann das zögerliche Vorgehen der Staatsregierung nicht nachvollziehen: „So langsam wird es lächerlich. Wenn man so weitermacht, wird man unglaubwürdig." Dass Testpartien ausgetragen werden dürfen, der Punktspielstart allerdings immer weiter nach hinten geschoben wird, findet er mehr als unglücklich: „Die Vereine haben gezeigt, dass sie Partien austragen können. Warum sollen Amateurfußballspiele mit 100 bis 200 Zuschauern nicht stattfinden?", fragt Güntner. Er vermisst eine gute Kommunikation zwischen Regierung, Verband und den Vereinen. „Gäbe es die, dann wüssten wir, woran wir sind. Man könnte diskutieren", so der Technische Leiter. Und weiter: „So ist das nicht möglich." Dass sich der BFV für eine baldige Wiederaufnahme des Punktspielbetriebs einsetzt, findet Güntner gut. Auch ein rechtliches Vorgehen befürwortet er: „Auf alle Fälle, ganz klar."Auch der
Verständnis für den Bayerischen Fußball-Verband würde sich freuen, wenn es bald weiterginge. „Ich finde es gut, dass der BFV etwas in die Wege leitet", sagt Dominik Heiß. Der Fußball-Abteilungsleiter des SVA gibt zu, dass er in die benachbarten Bundesländer schielt und sich fragt, warum dort gespielt werden kann und hier in Bayern nicht. „Und wenn man dann sieht, dass Kulturveranstaltungen ebenfalls möglich sind, der Amateursport hier in Bayern aber auf der Strecke bleibt, ist das schon hart", sagt Heiß. Er befürwortet, dass der BFV sich für einen zeitnahen Re-Start einsetzt. Und sollte der Verband bei der Staatsregierung auf taube Ohren stoßen, wären für ihn „rechtliche Schritte okay". Doch soweit muss es seiner Meinung nicht kommen: „Wir wären in der Lage, die Zuschauer auf der Anlage zu verteilen. Und wir könnten – wie in den Biergärten – die Namen und Telefonnummern der Zuschauer aufnehmen", sagt der Abteilungsleiter des Bezirksligisten.Martin Neumayr, der Abteilungsleiter des Kreisligisten
, hat durchaus Verständnis für den Bayerischen Fußball-Verband. Aus seiner Sicht ist es nicht nachvollziehbar, warum in anderen Bundesländern oder auch bei Spielen in höheren Ligen andere Regeln gelten sollen. Der Verband kämpfe seit August für den Re-Start, und bisher würden im Trainingsbetrieb und bei Testspielen alle Vorgaben eingehalten. Da sei es nicht zu viel verlangt – zumindest in den unteren Ligen ab Kreisliga abwärts – zu testen, wie es bei Wettkampfspielen mit Zuschauern läuft. Auch wenn das für die Vereine bedeutet, dass Personendaten erhoben und die Abstände eingehalten werden müssen. Sollte es für den Re-Start nun notwendig sein, den Klageweg zu beschreiten, dann müsse der Verband das letztlich tun.Martin Braun vom Ligakonkurrenten
TSV Allershausen hofft auf konkrete Entscheidung sieht vor allem den Verband in der Pflicht: „Mich nervt mittlerweile das Rumgeeiere des BFV im Hinblick auf die Frage, ob Zuschauer nun erlaubt werden oder nicht. Irgendwann muss mal eine klare Aussage kommen, ob dieses Jahr noch gespielt wird oder nicht. Egal, ob nun mit oder ohne Zuschauer", betont der Sportliche Leiter des TSV. „Wir hangeln uns jetzt seit der Abstimmung im April im Zwei-Wochen-Rhythmus vorwärts. Und der Verband versteckt sich immer noch dahinter, dass die Regierung etwas freigeben muss." Eine Klage des BFV gegen die bayerische Staatsregierung sieht Martin Braun eher kritisch. Dadurch würde das Ganze nur noch weiter in die Länge gezogen.Über eine Klage des BFV müsste sich Philipp Jordan, Abteilungsleiter des Kreisligisten
„Dieses Hinhalten macht es ganz schön anstrengend" , mit seinen Kollegen erst einmal intensiver Gedanken machen. So etwas wäre möglicherweise nur sinnvoll, wenn die Klage dann per Eilverfahren entschieden würde. Jedoch steht für Jordan völlig außer Frage, dass eine Fortsetzung des Ligaspielbetriebs nur mit Zuschauern Sinn macht. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum 50 bis 100 Fans verteilt am Rand eines Amateurfußballfelds verboten sind, wenn für andere Veranstaltungen 100 Personen in geschlossene Räume dürfen. Das Wichtigste ist jedoch laut Jordan, dass es endlich eine konkrete Entscheidung gibt, ob und wann es nun weitergeht. Denn der derzeitige Schwebezustand sei sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch mit Blick auf die Gesamtmotivation im Verein schwierig.Zurückhaltend äußert sich Philipp Reiter, der Sportleiter des Kreisliga-Klubs
: „Diesen Klageweg möchte ich ehrlich gesagt nur vorsichtig unterstützen. Das ist meines Erachtens der falsche Weg,jetzt auf Teufel komm raus die Amateursportler auf den Platz zu bringen. Das ist aber meine persönliche Meinung", sagt Reiter. „Derzeit ist das Tagesgeschäft ganz schön zäh und langatmig. Eine gewisse Verbindlichkeit für alle Beteiligten wäre vernünftig. Und wenn es auch nur die Aussage ist, ihr werdet im Jahr 2020 nicht mehr im Wettkampfmodus oder im Ligabetrieb spielen können. Dann weiß ich, was Sache ist. Dieses Hinhalten macht es ganz schön anstrengend."Quelle: Münchner Merkur 3.9.2020 Autoren:Nico Bauer, Matthias Spanrad, Moritz Stalter und Josef Fuchs
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Wie soll der Fußball-Verband verfahren? Jetzt sind die Vereine gefragtDer Bayerische Fußball-Verband (BFV) bittet die Vereine an die virtuelle Urne: Die Vorstandschaft hat laut Pressemitteilung in ihrer außerordentlichen Online-Sitzung einstimmig beschlossen, alle rund 4500 Klubs zum weiteren Umgang mit dem von staatlicher Seite weiterhin untersagten Wettkampfspielbetrieb zu befragen. Dabei geht es auch darum, inwieweit der BFV den Rechtsweg beschreiten soll.
Der Ministerrat hatte sich am Dienstag nicht zum weiteren Vorgehen im Wettkampfsport oder zu Rahmenbedingungen für einen Re-Start geäußert. „Wir haben den Kurs der bayerischen Staatsregierung in der Vergangenheit stets mitgetragen und für sehr verantwortungsvoll befunden. Wir haben uns mit Trainingsspielen ohne Zuschauer zufriedengegeben. Wir haben verstanden, dass die Zuschauerfrage behutsam diskutiert werden muss, wir haben mit größter Sorgfalt Hygienekonzepte entwickelt und der Staatsregierung vorgelegt", zählt BFV-Präsident Rainer Koch auf.
Man sei der Auffassung gewesen, die Voraussetzungen geschaffen zu haben, dass der Spielbetrieb ab dem 19. September wieder aufgenommen werden darf. „Es ist für die meisten nicht nachvollziehbar, dass wir aktuell den Spielbetrieb nicht starten können, obwohl die Staatsregierung es längst wieder erlaubt, beispielsweise Konzerte oder Gottesdienste unter freiem Himmel zu veranstalten, und dabei sogar bis zu 400 Zuschauer zugelassen sind." Warum dies so ist? „Diese Antwort bleibt uns die Politik nach wie vor schuldig." Und weiter: „Es sollte gleiches Recht für alle gelten", schreibt Koch in seinem Wahlaufruf an die Vereine.
„Nach heutigem Stand ist davon auszugehen, dass der Ministerrat in den nächsten zwei Wochen keine weiteren Lockerungen beschließen wird, was – unter Berücksichtigung einer für den Spielbetrieb zwingend erforderlichen Vorlaufzeit – Amateurfußball in Bayern im Monat September unmöglich macht. Ein Umstand, der bereits jetzt existenzielle Folgen hat und noch haben wird", erklärt Koch und betont, dass es gerade jetzt besonders wichtig sei, dass Vereine und Verband mit einer klaren Stimme sprechen: „Es braucht jetzt euch alle, um noch genauer zu wissen, welche Wege wir als euer Verband in den nächsten Tagen einschlagen sollen."
Entsprechend ist die bis Montag, 7. September, 10 Uhr, freigeschaltete Umfrage ausgelegt. In zwei zusätzlichen Online-Infoseminaren wird Koch am Freitag (16.30 und 18.30 Uhr) zusammen mit Schatzmeister Jürgen Faltenbacher alle interessierten Vereinsvertreter nochmals über den Stand der Dinge informieren. „Dabei geht es insbesondere auch darum zu erfahren, ob wir als letzte Möglichkeit jetzt auch noch den Rechtsweg beschreiten und in der Tat Klage erheben sollen", betont Koch.
Es gehe nicht um eine Sonderrolle für den Fußball, sondern um gleiches Recht für alle. „Die Gesundheit aller steht an erster Stelle. Worin aber ein Konzert- oder Gottesdienstbesucher von einem Sportplatz-Zuschauer unterscheidet, wissen wir nicht – und deshalb sagen unsere Fachanwälte, dass eine Klage gegen die Ungleichbehandlung des Amateurfußballs durch die Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung gute Erfolgsaussichten hätte."
Der Gang vor Gericht ist laut Koch aber immer nur das letzte Mittel: „Wir wollen weiterhin im Gespräch mit der Staatsregierung bleiben und hoffen weiterhin auf eine schnelle Lösung für den Amateurfußball."
Diese drei Fragen werden in der Online-Umfrage unter den Vereinen zur Abstimmung gestellt: 1. „Halten Sie die Entscheidung der Staatsregierung, Wettkampfspiele im bayerischen Amateurfußball nach wie vor nicht zu erlauben und auch keine Zuschauer in begrenztem Umfang zuzulassen, für richtig?" 2. „Wollen Sie, dass der Wettkampfspielbetrieb im Jahr 2020 baldmöglichst wieder aufgenommen wird und der BFV sich dafür einsetzt?" 3. „Soll der BFV rechtlich gegen das Verbot des Wettkampfspielbetriebs im Amateurfußball vorgehen und gegebenenfalls gerichtlich Gleichbehandlung mit Freiluft-Kulturveranstaltungen analog § 21 Abs. 2 der Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung geltend machen?"
Der BFV werde die Umfrage am Montag auswerten sowie aufbereiten und pünktlich vor der nächsten Sitzung des Ministerrats am 8. September veröffentlichen.